Bruckner: Sinfonie für Streichorchester (arr. Meirion Bowen)

Bruckners Streichquintett in F-Dur wurde 1879 zwischen der Komposition seiner Fünften und Sechsten Sinfonie vollendet. Als Joseph Hellmesberger, der Primarius des nach ihm benannten Streichquartetts, die Partitur vorgelegt bekam, befand der Geiger sowohl das Scherzo als auch das Finale als zu schwierig. Sofort ersetzte Bruckner das Scherzo durch ein Intermezzo (unter Beibehaltung des ursprünglichen Trioabschnittes) und sechs Monate später wurde das Werk in Köln vom Heckmann-Quartett aufgeführt - allerdings immer noch ohne das Finale. Das komplette Quintett samt ursprünglichem Scherzo und Finale erlebte im Mai 1 883 seine Uraufführung in Wien durch ein eigens zusammengesteiltes Ensemble unter der Leitung von Julius Winkler. Der Erfolg dieser Aufführung ließ weitere folgen und 1885 spielte das HelimesbergerQuartett, für das dieses Werk komponiert worden war, es schließlich in seiner Urfassung.

Meine neue Fassung des Streichquintetts in F-Dur ist keine "direkte" Transkription des Onginals, sondern seine Erweiterung zu einer vollwertigen Sinfonie für Streichonchester. Es schien mir das beste Verfahren, um das volle Potential eines Werkes zur Geltung zu bringen, das in Konzeption und Ausdruckskraft die gleiche Erhabenheit aufweist wie die sinfonischen Werke des Komponisten für großes Orchester. In der vorliegenden Fassung versuchte ich ausschließlich mit Streichern die gleiche Vielfalt an Klangfarbe und Textur zu bieten, die einem in Bruckners eigenen Sinfonien begegnet - das reicht von der Intimität der Solostreicher bis zur vollen Klangfülle des geteilten großen Streichorchesters. Bruckner folgte Mozarts Beispiel, indem er zwei Bratschen in seinem Quintett einsetzte, und ich habe es hier ebenso gehalten, mit zwei Bratschengruppen, die die meiste Zeit ihre Eigenständigkeit behalten.

Die Umwandlung des Werks von einem Quintett zu einer Sinfonie verlangte das Vergrößern von Bruckners musikalischem Gestus und Ausweitung seiner motivischen Blöcke, um eine wahrhaft sinfonische Struktur zu vermitteln. Für den zweiten Satz habe ich mich hier für Bruckners Intermezzo entschieden, denn es schien mir (zumindest implizit) orchestraler als das Scherzo, dass er selbst ersetzte. Das Finale des Werkes erreichte niemals den kianglichen Standard der übrigen Teile und ich habe als Hauptursache die Eröffnungsexposition ausgemacht, der es in gewisser Hinsicht an thematischem Gehalt mangelt. Um das zu beheben, habe ich in die Exposition einige Musikteile vom Ende des Satzes aufgenommen, wodurch (meiner Ansicht nach!) der Gesamtaufbau besser ausgewogener wird.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Schönberg Bruckners Quintett kannte und möglicherweise auch spielte. In Anerkennung dessen habe ich am Ende des langsamen Satzes eine Art "Widerhall" einer ähnlichen Passage aus Verklärte Nacht eingefügt. Ich glaube nicht, dass es Bruckner gestört hätte...

Der Auftrag zur vorliegenden Neufassung für Streichorchester von Bruckners Streichquintett in F-Dur kam mit Unterstützung von Mike Thorne und Leila Shakkour zustande, denen sie auch gewidmet ist. Fertig gestellt wurde sie im september 1998 und in der Royal Festival Hall zu London am 28. September 1999 von der Academy of St. Martin-in-the Fields unter der Leitung von Sir Neville Marniner uraufgeführt. Das gleiche Orchester und den Dirigent führten das Werk am 3. Oktober 1999 erneut auf, diesmal im Linzer Brucknerhaus im Rahmen des Internationalen Brucknerfests.

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Copyright Meirion Bowen (1999)

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